Das Wäldchen Luccoli lag wie so viele Dörfer und Weiler Liguriens ausserhalb der karolingischen Stadtmauern. Auf dem Weg von der Porta Serravalle nach Nordosten folgte man dem Bächlein Rialto sicher ein oder zwei Meilen vorbei an Äckern und Feldern, ehe die ersten Auswüchse des alten Waldes sich dem Pfad nähern.
Einst – so sagen die Genovesi – war hier ein Hain der Römer, ein Naturtempel an den Sonnen- und die Mondgöttin. Tief zwischen den knorrigen, alten Olivenbäumen sollen Reste ihrer Druidenaltäre verborgen sein.
Auf dem undurchsichtigen Gewirr aus Pfaden, die sich durch die Hügeltäler des Waldes schlängelten und sich in Richtung des Appenninausläufers Castelletto fraßen, begegnetem einem tagsüber einige Menschen. Der Verkehr nach Casteletto und dem nordöstlichen Hinterland in den Schutz der Mauern war emsig. Entlang des Weges befinden sich einige Höfe und einsame Hütten, immer mal wieder eines. Die größte dieser Ansiedlungen, gemeinhin einfach als „Luccoli“ bezeichnet, war eine kleine, aus schlichten Häuschen bestehende Siedlung die sich dicht aneinander reihten, unterbrochen dann und wann vom kleinen Hof eines Ziegenhirten oder Eseltreiber, die Waren vom Hafen brachten oder Händler durch das Dickicht ihres Waldes begleiteten. Umzäunt von einer Wildschutzpalisade und unter den aufmerksamen Augen der freundlichen Bewohner kamen auch regelmässig Holzfällertrupps aus der Stadt hierher – die mit Erlaubnis des Grafen Holz schlugen und die ehemals sehr tiefen Wälder lichteten.
Das war auch dringend nötig. Denn manchmal, behaupteten die Bewohner von Luccoli, in den einsamsten Nächten des Jahres wenn Tag und Nacht gleich lang sind, wenn die Wölfe des Gebirges ihr Lied heulten: In solchen Stunden schwörten die Dorfbewohner bei der heiligen Mutter Maria, die letzten Gottlosen würden nachts durch die Wälder schleichen und hielten ihre grauenhaften Rituale ab.