Da wir gelegentlich damit zu kämpfen haben, dass unsere Spieler zu „gruppenorientiert“ agieren folgt hier eine kleine Abgrenzung zwischen „Tischrollenspiel“ und „Forenrollenspiel“. Denn es gibt durchaus eine ganze Reihe von feinen, aber entscheidenden Unterschieden die im Pen& Paper stören, aber die im Forenspiel essentiell sind.
Um zum Punkt zu kommen: Das Forenspiel, wie wir es hier in Genua betreiben, ist ebenfalls ein ganz eigener Spieltypus. Wir spielen täglich und permanent, wie eben Zeit da ist, wie bspw. in einem MMORPG. Wir haben die Spielerzahl einer Live-Rollenspiel-Gruppe. Wir kennen uns aber nicht. Haben uns teilweise nie gesehen. Sogar die Kommunikation ist rein textbasiert, statt verbal oder theateresk. Außerdem haben wir weniger direkte Gestaltungsmöglichkeiten auf die Welt selbst. Eher müssen wir wie in einem PC-RPG, mit der Spielwelt klar kommen. Steuern nur unseren Charakter.
Ich bitte euch daher ein Foren-RPG nicht mit euren Erfahrungen aus dem Pen&Paper gleichzusetzen. Dass es im Liverollenspiel anders zugeht als im Pen&Paper ist vielen sofort klar. Den Unterschied zwischen Foren-RPGs und Pen&Papers zu erkennen, ist da auf den ersten Blick schon schwieriger.
Aber er ist da. Er ist ein Faktor, der zu Unzufriedenheit (immerhin wird die Erwartungshaltung nicht erfüllt) und Missverständnissen führen kann. Ich würde daher gerne exemplarisch ein paar Unterschiede herausstellen, nur damit ihr eventuell gedanklich etwas anders an die Sache herangeht und um Frustration vorzubeugen:
-Die Charaktere arbeiten sowohl gegeneinander als auch zusammen. Sieht die SL beim Tischrollenspiel auch schon mal über Ärgereien untereinander hinweg, um die Reibereien nicht zu groß werden zu lassen oder die Gruppendynamik nicht negativ zu belasten, ist das im Forenspiel nicht zwingend notwendig. Die filigranen Bündnisse, Abhängigkeiten und Feindschaften, also das Sozialgeflecht aller Charaktere und NPCs sind sogar das Fundament der Chronik. Ohne sie würden der Großteil aller Spiele wegfallen. Wie bspw. im Live-Rollenspiel entstehen so Handlungsstränge, Intrigen und Ereignisse, die ohne das Zutun der SL zustandekommen und einen großen Teil des täglichen Spiels ausmachen.
– Geheimaktionen sind plötzlich realistisch durchführbar. Wer beim Tisch-Rollenspiel über einen längeren Zeitraum schon einmal versucht hat eine geheime Doppelidentität zu spielen (und sie auch zu nutzen) oder regelmäßig anderen Spielercharakteren hinterherspioniert, wird spätestens nach einigen Sitzungen feststellen, dass es schier unmöglich ist, solche Geheimhaltung zu wahren, ohne dass die anderen Spieler die Nase rümpfen – weil es ja gegen Sie geht. Im Foren-RPG bekommt man das geheime „Zettel austauschen“, „vor die Tür gehen“ oder „zwischen-den-Sessions-mit-dem-Meister-telefonieren“ einfach nicht mit. Beziehungsweise: alle tauschen Zettel. Daher ist man nicht der Böse, der es tut.
– Unterschiedliche Kenntnisstände. Während ihr im Pen&Paper alle zeitgleich dem zuhört, was die Spielleitung und eure Mitspieler sagen, habt ihr im Foren-Rollenspiel alle einen enorm unterschiedlichen Kenntnisstand. Schon allein durch verschiedenen Gruppen- und Geheimforen, in denen ihr lesen und schreiben könnt, aber auch durch dass was euch andere Spieler und NSC mitteilen, könnt ihr überhaupt nicht auf dem gleichen Wissensstand sein.
– Unterschiedliche Erfahrungslevel. Wir spielen jetzt bald seit 7 1/2 Jahren (Stand: Februar 2022) und haben immer noch Leute dabei, die ganz am Anfang eingestiegen sind. Genauso haben wir Leute dabei, die erst einen Monat dabei sind. Neulinge bekommen bei uns auch keinen Erfahrungspunkte-Ausgleich, um „mithalten“ zu können, weil die „Abenteuerstufe“ sie sonst fertig macht, wie im P&P. Stattdessen spielen wir mit einer „nicht gebalancten“ Welt, in der viel eher kalkuliert werden muss, was man sich leisten kann und was eher nicht. Der schöne Nebeneffekt davon ist, dass man „Zweigskillungen“ entgeht, wie bspw. im MMORPG üblich – die Wahl bestimmter Charaktere, die gut in die Gruppe passen bzw. die noch benötigt werden. „Ich weiß ja nicht, was ihr noch braucht?“ ist ein Satz, den ich im P&P schon sehr häufig gehört habe, wenn neue Spieler dazukommen. In einer Forenchronik noch nie. Stattdessen dürft ihr spielen, was ihr wollt. Woran ihr wirklich Spaß habt.
– Fokussierung. Spielt man im Pen&Paper (und auch im Live) nur die großen Ereignisse, die wegweisenden Szenen und die entscheidenden Momente, spielen wir hier im Forum deutlich mehr vom Unleben eures Charakters aus. Wie auch bspw. bei dem Vergleich „Filme vs. Serien“ klar wird, verbringt ihr damit mehr Zeit mit eurem Charakter – und die Aspekte, die ihr ausspielt werden detaillierter, facettenreicher. Ihr habt mehr „Screen Time“. Flache Charaktere und „One Trick Ponys“ scheiden daher schnell aus oder werden von ganz von selbst langweilig, weil sie nicht für ein solches Langzeitspiel gemacht sind.
– Undurchsichtigkeit. Ob jetzt die SL der Bösewicht ist, die sich einen Plan ausdenkt, um euch zu triezen oder ob es ein anderer Spieler ist und die SL nur der Bote schlechter Nachrichten, das ist kaum nachvollziehbar. Ich bitte euch daher vor- und nachsichtig mit Vermutungen umzugehen. Da wir viele Dinge geheim ausspielen und nur der eigene kleine Sichtbereich halbwegs überschaut werden kann, warne ich davor zu viel zu Schlussfolgern. Bei monatlich knapp 800 Post ist es sogar für die SL schwer alles im Blick zu behalten – und die kann alles lesen. Es ist die erfahrungsgemäß absolute Regel und nicht nur die Ausnahme, dass Vermutungen zu falschen Schlußfolgerungen führen. Bei über 25 Köchen ist es nämlich kaum absehbar wer genau den Brei verdorben hat. Ich rate daher zur Besonnenheit. Im Forenspiel ist es selten der offensichtliche Schurke, der euch ärgert, da es keine stille Übereinkunft gibt, dass euch die SL niemals in Band 2 von 4 sterben lässt, da ihr auf das falsche Pferd gesetzt habt. Eine Pen & Paper-SL möchte in der Regel mit euch gemeinsam das Abenteuer „durchspielen“ er gibt daher Hilfestellung oder lässt auch mal NSC unlogisch agieren, um den Abend zu retten. Das passiert bei uns nicht. Eure Gegenspieler sind in der Regel nämlich keine NSC, sondern andere Spieler. Ein „zurechtbiegen“, um dem Einen den Spielspaß zu geben, würde dem Anderen den Spaß nehmen. Daher ist die SL in einem Foren-Rollenspiel häufig technokratischer, neutraler und aus Spielerperspektive eventuell auch „härter“. Das tut sie nicht, weil sie ein Sadist ist, sondern weil das Umfeld sie in diese Rolle drängt.
– Rolle der SL. Wie eben schon „angeteasert“ ist die SL deutlich neutraler als im P&P. Auch leitet sie weniger eine Geschichte, sondern eher die Welt selbst. Das heißt keine Kette von Ereignissen, die zum großen Finale führen, sondern die NSC, die ihren eigenen Zielen nachgehen. Die Plots entstehen aus der Dynamik der Chronik selbst. Aus den Interaktionen der SCs und NSC. Über die Pläne der NSC wird die Chronik teilweise in eine Richtung gesteuert, die der SL genehm ist, über die Pläne der SC in eine, die den einzelnen Spielern gefällt. Da hier also ungewöhnlich viel Dynamik in der Hand von 25 verschiedenen Leuten – den Spielern – liegt, ist die „Zukunft“ bzw. der Weg, wohin es genau geht, viel undurchsichtiger (auch für die SL) als in einer Tischrunde, wo ein gut ausgearbeiteter Abenteuerpfad in einem Buch vorgedruckt mitgebracht wird. Viele Ereignisse, die plötzlich alles verändern, sind erst aus der Dynamik der SC-Spiele entstanden und waren langfristig kaum zu erahnen. Ich bitte euch daher, mehr zu agieren um die Story voranzubringen, als auf diese zu reagieren. Ihr werdet nicht bespaßt, ihr müsst euch den Spaß holen. Charaktere, die darauf warten, dass die Action zu ihnen kommt, werden feststellen, dass ziemlich wenig passiert. Aber Solche, die losziehen und sich etwas suchen….die werden in einen Strudel der Ereignisse gezogen und haben in Zukunft viele spannende Spiele zu bestehen.