Der lange Platz ist der Name des Viertel, Piazzalunga, Platealonga. Doch dies ist bloß zur Hälfte wahr. Denn es ist nicht etwa ein einzelner, riesiger Platz wie der Georgsplatz, der von Nord nach Süd aus dem Häusermeer platzt. Vielmehr sind es hunderte und aberhunderter kleiner Piazzen, die sich an den Kreuzungen kleinerer Gassen bilden, die sich in den breiten Wegen zwischen den Kontoren ausbreiten und die an den Kreuzungen der großen Straßen – San Bernardo, Strata Romana, Galgengrube (fossa di platiboli) und Handelsstraße (viale dei scambi) – aufplatzen.
In keinem Sestieri sieht man den Umbruch der Stadt besser als hier. Wo die Plätze vor Jahren noch wie Geschwüre im Leib der Stadt voller Müll und Unrat dalagen sieht man heute die Massen auf ordentlich gepflasterte Marktplätze und Wegen ihren Geschäften nachgehen. Wo früher ein brackiges Hafenbecken heruntergekommene Fischerkähne beherbergte, liegen heute die Handelsschiffe aus Pisani, Nikaer, Rhomaioni, Norsk und noch ferneren Ländern. Geschäftstüchtige Kaufleute tummeln sich zwischen privaten Wachsoldaten und Passagieren die sich lautstark in fremden Sprachen beschimpfen. Säcke und Kisten schleppende Arbeiter gehen in frisch restaurierten Kontoren ein und aus und drängen das, früher überall präsente, Gesindel in die wenigen verbliebenen Rückzugsorte oder gar in andere Viertel.
Alles läuft hier zusammen. Ist Clavicula der Gezeitentümpel, in den nur zu stürmischster Flut das Leben sprudelt, so ist Platealonga der Strand. Die Schiffe aus aller Welt legen hier im Hafen an und Handel aus allen Städten der Umgebung, von der Via Aemilia Scauri, der Via Aurelia oder aus dem Westen her rollten über die schlammigen Straßen. An Markttagen strömt das Volk aus allen Vierteln zum Georgsplatz und selbst an manchem Donnerstagabend ist er mit Lauschenden gut gefüllt, die den Reden des Priesters der San Giorgio Kirche folgen. Auch in der Therme, jenem versteckten und doch allzu bekannten Hurenhaus im Süden, und dem Hof der Wunder, jenem Ort der Exotik und des Rausches, werden die seltsamsten Treibgüter angespült.
Von jeder Seltenheit in der Welt findet sich hier ein Exemplar im Schlamm.
Und wie das Meer unzuverlässige Ebbe und Flut kennt, so auch das nächtliche Platealonga. In guten Nächten trifft man hier weitgereiste, interessante Gesprächspartner und Menschen die man sonst in ganz Italien nicht fände. In schlechten flackert die dunkle Vergangenheit des Sestieris auf. Denn Mord, Diebstahl, und Bandenkriminalität sind in Platealonga niemals weit entfernt.