Früher einmal war Broglio ein Dörfchen, ein malerisches kleines Ding vor den Toren der römischen Stadtmauern. Auf seinen grünen Hügeln standen Reih um Reih Hühnerställe, durch die kleinen Täler zogen sich die sorgsam gepflasterte Ableger der Via Aurelia bis in die Stadt hinein und in seinen Stuben herrschte eine heimelige Ordnung.
Das Geschnatter von Hühnen und Gänsen lag in der Luft, Schweine drehten sich lachend über Feuern und der Geruch von Schinken, Brathähnchen und gebratenen Eiern lag beständig in der Luft. Es war ein Fest für die Sinne.
Mit der Errichtung der neuen Mauer durch den ach so großen Karl änderte sich das.
Broglio war nun Teil der Stadt. Jedenfalls innerhalb der Mauern der Stadt, mit dem Haupttor für Handel, der Porta Soprana im Osten und der alten Römerstraße (strata romana) im Norden. Und die Stadt schluckte das einst beschauliche Dörfchen mit gierigen reißen und zerren, wie ein Raubtier seine Beute.
Seit den sarazenischen Überfällen vor fast einem halben Jahrhundert lagern die Heimatlosen in den Straßen von Broglio. Jahrzehnte des Aufbaus, die andere Sestieri wieder aufrichteten und in neuem Glanz erstrahlen ließen, gingen unbemerkt an Broglio vorbei. Hässliche Behelfsbauten ragen dort in den Himmel wo früher Kühe weideten und Hühnerställe beherbergen heute Männer und Frauen mit hoffnungslosen Gesichtern.
Von seinen Schwesterbezirken im Stich gelassen und ausgenutzt wuchern die Elendsviertel Claviculas jedes Jahr weiter die einst grünen Hänge Broglios hinauf, werden die Banden aus Halsabschneidern, Straßendieben und Erpressern stetig dreister. Bettler denen in Domus und Mascarana der Strick droht, versuchen hier ihr Glück, nur um festzustellen das das Mitleid in den Herzen der Broglioer längst erloschen ist.
Broglio ist ein Ertrinkender. Die Straßen versinken seit Jahrzehnten unter einer dicken Schicht aus Dreck, Schlamm und Unrat. Der Sirenengesang der Menge ist von überall zu hören, auch wenn er sich über die Jahre verändert hat: Das Ächzen der stöhnenden Menschen, das Gequieke der werfenden Säue, das säuselnde Betteln der Hoffnungslosen, der Hochmut der krähenden Hähne, das Rumpeln der fahrenden Handelswagen.