Auf einem Hügel vor den Toren der Stadt, fernab von jeglichen störenden und stinkenden Straßen, befand sich die Villa Illuminata. Die erleuchtete Villa. Ein letzter Hort des Friedens und der Antike inmitten der stürmischen See der Wildnis, der des Nachts von Öllampen und feuern erleuchtet war, dessen weiß gekalkte Wände des Tags weithin über die ligurische Küste strahlten.
Man gelangte auf einem schmalen Pfad von den beiden Nordtoren der Stadt – der Porta di San Pietro und der Porta Superana – durch das malerische Winzerdörfchen Maddalena dorthin, oder nach einem kurzen Marsch durch Felder und Wiesen.
Die Landschaft war unvergleichlich. Im fernen Südwesten lag der Golf von Genua und trieb sanfte, salzige Brisen die Hügel hinauf bis in den Nordosten in die Wälder und Berge des ligurischen Hinterlandes. Im Sommer duftete der Wein und die Oliven, die aus Arabien eingeführten Limetten, die Weizenfelder oder der scharfe Geruch von Vieh.
Die Villa selbst war eigentlich ein größerer Komplex und verfügte, wie jene alten Villae Rusticae der Römer, über eine eigene Feldwirtschaft. In einiger Entfernung zum Hauptgebäude also befand sich eine niedrige Mauer aus schlichten Bruchsteinen, etwa kniehoch. Zu dieser führten die mehr oder minder feste Trampelfade aus der Stadt, die sich kurz hinter dem Örtchen Maddalena zu einem verbanden.
Dort, wo der Pfad auf die Mauer traf, befanden sich stets zwei Wachen, die den mehr symbolischen Zugang bewachten. Dahinter verwandelte der Pfad sich in einen weißen Kiesweg, der sich über die Hügel zur Kuppe des höchsten empor wand.
Diesen Hügel umgaben einige weitere Gebäude, niedriger als die Villa und bedeutend schmuckloser. Kornspeicher, Lagerräume, Werkstätten, Weinpressen, Schlafstätten für das Gesinde, Ställe und dergleichen mehr bildeten eine lose Formation in der Mitte des Hügels, sodass der Zugang zur eigentlichen Villa lediglich von zwei Seiten aus möglich war: Dem Pfad und der Rückseite aus.
Reges Treiben herrschte hier tagsüber, Dutzende Menschen arbeiteten, hüteten Tiere, ernteten Früchte oder Getreide, trugen Botschaften aus der Stadt oder dem Castelletto herein für den Herrn der Villa – Luccio Il Onnivoro, der sie als Lohn für seine langen Dienste erhalten hatte.
Nachts lag alles still. Die Diener und Mägde lagen in ihren Betten und nur zwei weitere Wachen flankierten das große, eichene Portal der Villa. Dass im gesamten Gebiet mehr als nur diese vier Männer stationiert waren, war wahrscheinlich, aber sie verbargen sich scheinbar gut.
Die Villa selbst war von stattlicher Größe. Ein lang gestrecktes Gebäude von gleicher Länge und Breite, verfügte es über zwei Stockwerke und war aus strahlend weißem Stein errichtet und mit leuchtend roten Ziegelsteinen gedeckt, wie es nur wenige der Stadthäuser waren. Die Fenster des unteren Stockwerks waren schmale Schlitze im Mauerwerk, kaum groß genug für eine Katze, die im oberen breit und durchlässig.
Wer – auf Einladung des Allesfressers oder seiner nicht so geheimen Herrin etwa – in das Innere gelangte, der staunte über die kostbaren Mosaike auf dem Boden, die Jagdszenen an den Wänden und Decken, die Fresken, Gemälde und Wandteppiche im Eingangsbereich. Der bewunderte den riesigen Innenhof des Atriums mit seinem Wasserbecken unter offenem Himmel, in dem der Mond sich so gerne spiegelte und ihre Majestät sich wusch. Der mochte beeindruckt sein von den langen Säulengängen, die sich darum zogen, und der schier unendlichen Anzahl an Türen, die davon abgingen.
Am gegenüberliegenden Ende des Atriums war der große Saal der Villa, in dem tagsüber Luccio wohl speiste und seine vielen Gäste und Freunde aus der Mark und allen anderen Gegenden des Reichs empfing. Nachts aber verwandelte er sich oft. Da wurden Tische und Stühle beiseite gestellt und ein Podest herbeigeschafft, auf dem ein großer, schwerer Stuhl Platz hatte. Ein Thron für ihre Majestät, geschnitzt aus dunkelstem Holz, verziert mit edelster Kunst und getragen von zwei wildesten Löwen, auf denen sie die Arme ausruhen konnte.
Die Villa der Prinzessin war fürwahr ein Relikt aus einer anderen, womöglich besseren, Zeit.